Geschichte vs. Theorie?

Die Kluft zwischen Marx' theoretischen Schriften zur Kritik der politischen Ökonomie und seinen historischen Schriften wird in der Marx-Rezeption seit langem kontrovers diskutiert.

Der marxistische Humangeograph und Sozialtheoretiker David Harvey hat mit seiner These einer »Akkumulation durch Enteignung« als Analyse-Schlüssel für den globalen Finanzmarktkapitalismus methodisch selbst auf die Marxschen Ausführungen zur »sogenannten ursprünglichen Akkumulation« zurückgegriffen, was am sozialwissenschaftlichen Paradigma der »Landnahme« durchaus kontrovers diskutiert wird. Harvey hat nun mit einem neuen Beitrag die marxistische Methodendiskussion weitergeführt.

Die anderen Autoren stellen in kritischer Auseinandersetzung mit Harveys Ansatz ihre eigene Interpretation des so genannten Methodenkapitels in Marx' »Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie« und damit des Verhältnisses v on Theorie und Geschichte zur Diskussion. Innerhalb der Marx-Lektüre seit '68 stehen sie für unterschiedliche Zugänge, Intentionen und Anwendungen bei deren Aneignung, bei der Kapitalismusanalyse sowie bei sozialistischen Transformationskonzeptionen.

Harvey selbst versucht in seinen jüngsten Analysen, Marx' theoretische Erkenntnisse auf besondere konjunkturelle Bedingungen, etwa diejenigen, die aus der ökonomischen Krise von 2007ff. entstanden sind, anzuwenden.

Er betont zugleich, dass die Frage der Verallgemeinerbarkeit der »Kapital-Methode« letztlich auf die Möglichkeit des Übergangs zum Sozialismus verweist und Marx dem Aufstieg des Kreditsystems eine der kapitalistischen Produktionsweise immanent revolutionäre Rolle zuspricht.